Nahrungsmittelproduktion und gleichzeitig wertvoller Lebensraum für Tiere und Pflanzen? Was sich wie reine Utopie anhört, die in der heutigen Welt nicht mehr möglich ist, ist in Form der letzten Streuobstwiesen tatsächlich noch zu finden.

Streuobstwiesen sind gekennzeichnet durch hochstämmige Obstbäume, die auf Wiesen in weiten Abständen voneinander stehen. Sie gehören zu den wichtigsten Lebensräumen für Tiere und Pflanzen in Mitteleuropa. Dies liegt an mehreren Gründen: Die mächtigen Obstbäume und die besonnten artenreichen Wiesen bilden ein Ökosystem, das von der Luft bis tief in die Erde zahlreiche Mikrohabitate unterschiedlichen Charakters bietet. Außerdem werden sie in der Regel extensiv bewirtschaftet, was auch den vollständigen Verzicht auf jeglichen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beinhaltet.

Noch vor zwei Generationen stellten solche Streuobstwiesen eine wichtige Grundlage für die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung dar. Das Obst zum Frischverzehr und zur Verarbeitung wurde hoch geschätzt, das Heu der Wiesen für die Viehzucht benötigt. Heutzutage findet der Obstbau in Plantagen statt, und viele der Streuobstwiesen sind in den vergangenen Jahrzehnten verloren gegangen. Die wenigen, die noch übrig geblieben sind, werden oft nicht mehr gepflegt, da ihre Besitzer den hohen Arbeitsaufwand scheuen, oder das Wissen über die Pflege nicht an die nächste Generation weitergegeben wurde.

Aber die Streuobstwiesen bieten neben der immensen Bedeutung für den Artenschutz auch viel Potenzial für die Obstproduktion. Wer schon mal einen Saft aus Äpfeln oder Birnen von der Streuobstwiese getrunken hat, weiß, dass dieser um Längen besser schmeckt als Saft aus dem Supermarkt. Die alten säurereichen Sorten bieten reif geerntet und zu Saft gepresst jedem Gaumen ein ganz besonderes Erlebnis. Darüber hinaus gibt es auch tolle Sorten, die wunderbar als Tafeläpfel nutzbar sind. Natürlich sind wegen des Verzichts auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln Tafeläpfel von der Streuobstwiese nie makellos. Aber der Anspruch, nur Äpfel, die wie gemalt aussehen, in die Regale zu bringen, ist sowieso eine absolute Fehlentwicklung der vergangenen Jahrzehnte, von der die Gesellschaft sich mehr und mehr verabschieden wird.

Um das Potenzial der Streuobstwiesen zu nutzen, braucht es also sowohl Bewirtschafter, die sich nicht scheuen, die anstrengende, aber auch schöne Arbeit auf den Streuobstwiesen auszuüben, als auch Kunden, die bereit sind, diese Arbeit durch die Akzeptanz eines etwas höheren Preises zu würdigen und auf Makellosigkeit des Obstes zu verzichten. Dieser Sache nimmt sich Streuobst-Saison an, denn nur Streuobstwiesen, die gepflegt und beerntet werden, können erhalten werden und ihr volles Potenzial auch beim Thema Naturschutz ausspielen.